Willkommen zurück: Bewegte Geschichte des Heine-Denkmals

Redebeitrag von Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft zur Einweihung des Heine Denkmals

Heine soll von Denkmälern nicht viel gehalten haben. Reine Geldmacherei und Selbstbeweihräucherung der Auftraggeber, was mit der eigentlichen Kunst wenig zu tun habe.

Dennoch wollte die Stadt Frankfurt ein Zeichen setzen. Ein politisches Zeichen. Für das stark jüdisch geprägte liberale Frankfurt hatte Heine nachvollziehbarerweise eine große Bedeutung.

Denkmäler, die unpolitisch sind, gibt es nicht. Selbst dann nicht, wenn die Vorgabe im Wettbewerb für das Heine-Denkmal ausdrücklich lautete, das Denkmal der Dichtkunst Heines zu widmen, nicht dem Revolutionär Heine.

Den Wettbewerb gewann der bekannte Bildhauer Georg Kolbe. 1913 kam das Denkmal zur Ausführung, finanziert über private Spenden. Und es wurde begeistert aufgenommen. Seine weitere Geschichte allerdings war wechselvoll.

Ursprünglich in Blickachse zu der prächtigen Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft, der damals größten Frankfurter Synagoge, aufgestellt, verweist das Denkmal heute auf den Hochbunker.

Eine dramatische Zeitschicht liegt dazwischen. Eine Zeitschicht, in der die Stadt Frankfurt und ihre Bürgerinnen und Bürger in die Barbarei abrutschten; in der unmenschliche Verbrechen vor Augen zahlreicher Zeugen stattfanden; in der Frankfurter Jüdinnen und Juden zu Opfern von Raub, Verfolgung, Deportationen und Mord wurden.

Auf den Fundamenten der durch die Nationalsozialisten erst geplünderten und anschließend abgebrannten Synagoge, von französischen Zwangsarbeitern errichtet, zeugt der karge Bunker von dieser Zeit. Er mahnt.

Noch eindrücklicher mahnt aber sein Innenleben. Die Arbeit der hier ansässigen Initiative 9. November e.V. ist in Frankfurt gut bekannt. Eine für die Opfer und ihre Nachfahren, für die Frankfurter Stadtgesellschaft und Aufarbeitung der Geschichte sehr wertvolle Arbeit. In Kooperation mit dem Jüdischen Museum hat hier unter anderem die Ausstellung „Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel“ ihren dauerhaften Platz gefunden. Das „jüdisches Viertel“ gehört nämlich zum ursprünglichen Kontext der Aufstellung des Heine-Denkmals.

Bereits 1933 wurde das Denkmal verunstaltet und musste geborgen werden. Um die Heine-Plakette beraubt und aus seinem Kontext gerissen, überdauerte das Denkmal die Zeit des Nationalsozialismus schließlich im Garten des Städels, damals der städtischen Galerie. In dieser Zeit wurde auch der Name Heines aus den Schulbüchern getilgt.

Erst 1947 wurde das Denkmal erneut aufgestellt. Mit neuem Sockel und neuem Porträtrelief stand es von da an an einer unscheinbaren Stelle in der Taunusanlage. Nun feiern wir seine Rückkehr.

Es ist ein schweres Erbe, mit dem wir umgehen müssen.

Noch komplexer wird es, wenn die Geschichte des Schöpfers dieses Denkmals hinzukommt. Das Denkmal zu Ehren des hochverdienten Dichters, Essayisten und Satirikers Heine wurde von einem Künstler erschaffen, dessen Lebenslauf ambivalent ist – Georg Kolbe.

Nach Berlin ist Frankfurt am Main die wohl bedeutendste Stadt im Schaffen dieses Künstlers. In der Mainmetropole unterhielt er Freundschaften unter anderem zu den bekannten Museumsdirektoren und Kunst- und Kulturgrößen seiner Zeit. In der Sammlung der Städtischen Galerie im Städel befinden sich mehrere Arbeiten Kolbes, die zwischen 1919 und 1983 erworben wurden.

Foto von den ZuschauerInnen
(c) Wolfgang Cézanne

Im öffentlichen Raum unserer Stadt stehen mehrere Bronze-Denkmäler Kolbes: das 1913 hier in der Friedberger Anlage enthüllte „Heine-Denkmal“, das 1951 in der Taunusanlage aufgestellte „Beethoven-Denkmal“ und der 1954 postum errichtete „Ring der Statuen“ im Rothschildpark. Außerdem gibt es noch die Bronzeplastik „Adam“ (1919/21) auf dem Hauptfriedhof und das „Stehende Mädchen“ im Goethe-Haus. Dieses Werk wurde in Zusammenhang mit dem 1936 an Georg Kolbe verliehenen Goethepreis der Stadt Frankfurt erworben. Kolbe war im Übrigen der erste Bildhauer, der den 1927 gestifteten Preis erhielt.

Die Vielzahl von Werken in der städtischen Sammlung und im öffentlichen Raum beeindruckt und legt nahe, warum Kolbe die Stadt Frankfurt am Main respektive die Städtische Galerie in sein Testament aufnahm.

Doch das Erbe, das uns der Künstler hinterlassen hat, kommt verglichen mit der Anmutung des Heine-Denkmals, weniger leichtfüßig daher.

Wer das 1947 fertiggestellte Beethoven-Denkmal und den Ring der Statuen vor Augen hat, dem wird der enorme Sprung deutlich, den Kolbe vollzogen hat: vom Jugendstil und Expressionismus zur sogenannten Nazi-Ästhetik. Ein Sprung, der ihm stilistisch meisterhaft glückt, dessen ideelle Motivation aber schwer zu ertragen ist.

Kolbe war kein Parteimitglied und äußerte sich nicht nachweislich antisemitisch, aber, das kann man ohne Zweifel sagen, er nahm den Platz, der ihm im deutschen Nationalsozialismus geboten wurde, gerne ein. Er wollte für das „neue Deutschland“ schaffen, wie er es 1936 bei seiner Goethepreis-Rede formulierte.

Von 1937 bis 1944 nahm er regelmäßig an der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ im Haus der Deutschen Kunst in München teil, die zeitgenössisch als wichtige Leistungsschau der „deutschen Kunst“ propagiert wurde.

In den Jahren des Nationalsozialismus wird Kolbe trotz seines früheren expressionistischen Werks, dem auch das Frankfurter Denkmal zuzurechnen ist, nicht diffamiert. Er konnte seine Karriere in Nazi-Deutschland erfolgreich fortsetzen. Wir müssen konstatieren, dass Kolbes anhaltender Erfolg ohne dessen Konformismus und opportunistisches Handeln sowie die Anpassungsleistung in seinem Spätwerk nicht möglich gewesen wäre.

Im September 2022 veranstaltete das Georg-Kolbe-Museum in Berlin eine Tagung zum Thema „Georg Kolbe im Nationalsozialismus. Kontinuitäten und Brüche im Leben, Werk und Rezeption“. Wir haben die Tagung zum Anlass eines eigenen, vom Kulturamt der Stadt Frankfurt durchgeführten, wissenschaftlichen Rechercheprojektes genommen.

In diesem Projekt widmen wir uns historisch belasteten Bildhauern und historisch belasteten Kunstwerken. Es geht um Denkmäler, die im Fokus öffentlicher Debatten stehen und nach ihren Beziehungen zu Nationalismus, Kaiserreich, Weimarer Republik und Kolonialismus fragen.

Das betrifft vor allem Künstler, wie Richard Biringer, Fritz Klimsch, Georg Kolbe und Richard Scheibe, die vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus gewirkt haben, die vom NS-Regime anerkannt, gewürdigt und protegiert wurden.

Wir wollen unter anderem die Frage stellen wie ihre Kunstwerke, die sie für den öffentlichen Raum in Frankfurt geschaffen haben, zu den verschiedenen Zeiten rezipiert wurden. Uns interessiert welche Wirkung entfalten sie heute im öffentlichen Raum? Wie lassen sich die Werke im Kontext einer veränderten Denkkultur und vor dem Hintergrund ihrer Entstehungsgeschichte vermitteln?

Mein Wunsch ist es, dass die Ergebnisse dieser Arbeit in eine fortgesetzte Auseinandersetzung mit unserer Denkmalkultur einfließen.

Ich danke ausdrücklich der Initiative 9. November e.V. für ihre Initiative zur Rückkehr des Denkmals und das unermüdliche Engagement.

Dr. Ina Hartwig,
Dezernentin für Kultur und Wissenschaft