Zerstörung der Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft an der Friedberger Anlage.

Dr. Ernst Gerhardt, Zeitzeuge am 9. November 1938.

Dr. Ernst Gerhardt, am 10. September 1921 in Frankfurt geboren, war am 9. November 1938 siebzehn Jahre alt.

„1938, am 9. November, das weiß ich noch genau: Ich war Angestellter bei der Firma Braun und da kam unser Direktor, der kam aus der Stadt zurück. Wir hatten unseren Betrieb im Gallusviertel. Er hat gesagt, in der Stadt brennen alle Synagogen. Und das war natürlich für mich ein Anlass. Als ich dann Betriebsschluss hatte, um 5 Uhr nachmittags, da habe ich mich aufs Fahrrad gesetzt, und bin in die Stadt gefahren. Ich bin dann an die Obermainanlage, da war die große Synagoge an der Friedberger Anlage und die hat gebrannt. Da war auch die Feuerwehr. Und ich steh davor und die Feuerwehr hat nur die Nachbarhäuser bespritzt und nicht die Synagoge. Und da habe ich noch zu den Leuten die da rumstanden gesagt, die löschen ja überhaupt nicht. Mir war es nicht zum Lachen zumute und die Leute waren alle schweigsam. Es steht manchmal in der Zeitung, die Leute hätten gejohlt. Ich habe das nicht erlebt. Ich habe schweigende sehr, sehr nachdenkliche Leute gesehen um mich herum. Da habe ich mich aufs Fahrrad gesetzt und bin nach Hause gefahren und hab es meiner Mutter erzählt. Und da sind wir uns um den Hals gefallen und haben laut geheult. Das weiß ich noch so. Danach war allerdings dann Schweigen. In der Presse war Schweigen, auch in der öffentlichen Meinungsbildung. Ich habe erwartet, dass in der Kirche am Sonntag darauf irgendwas gesagt wird, ein Gebet. Auch der Pfarrer sagte nichts. Nichts, alles war still. Die hatten natürlich Angst. Mut wäre da angebracht gewesen. Aber es war natürlich das Gespräch in der Runde. Ich war ein aktiver Mann in der katholischen Jugend und wir waren ja von den Nazis verfolgt und verboten und wir sind sonntags immer in der Kirche gewesen, und da haben wir uns auf dieser Ebene dann getroffen.“

Auszug aus dem Interview mit Dr. Ernst Gerhardt (Iris Bergmiller-Fellmeth und Ulla Schickling)

Öffnungszeiten im November

Wir freuen uns am 9. November unsere Ausstellung „Synagogen in Deutschland – eine virtuelle Rekonstruktion einer breiten Öffentlichkeit zeigen zu können. Im November gibt es mehrere weitere Termine, an denen die Ausstellungen besucht werden können:

Am 9. und 10. November wird der World Jewish Congress eine Fassadenprojektion der zerstörten Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft an die Außenwand des Hochbunkers ab Einbruch der Dunkelheit projizieren. Am 9. November werden wir vor Ort wie jedes Jahr um 17 Uhr Kerzen anzünden. Der Hochbunker wird an beiden Tagen für Besucher von 17:00 – 21:00 geöffnet sein.

Im November kann der Hochbunker und die Ausstellungen mittwochs von 17:00 – 19:00 Uhr sowie sonntags von 11: 00 – 14:00 Uhr besucht werden.

Am 7. November findet die Eröffnung für geladene Gäste von 11-14 Uhr statt. Aus Brandschutzgründen können wir unser Haus leider nur für eine begrenzte Zahl an Gästen öffnen. Für Besucher ist der Bunker an diesem Sonntag ausnahmsweise geschlossen.

Informationen aus unserem Projekt: Samson Raphael Hirsch Schule in Frankfurt 

Juni 1808: Rabbiner Samson Raphael Hirsch wird in Hamburg geboren. 1851 erhielt er einen Ruf von der orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft nach Frankfurt und prägte hier entscheidend das jüdische Leben. 1853 gründete Hirsch die Realschule (Primärschule, Sekundärschule, Mittelschule für Mädchen), die er auch leitete. Rabbiner Hirsch hat die Strömung der jüdischen Neo-Orthodoxie (Austrittsorthodoxie) gegründet. Zugleich gilt er als Modernisierer und orthodoxer Erneuerer. „Tora im Derech Erez“ bedeutet für ihn die Verknüpfung von Tradition, moderner Bildung und deutschem Patriotismus. Unterrichtet wurde in hebräischer Sprache und jüdischen Fächern, ferner in Deutsch, Mathematik und Geografie. Sein Augenmerk galt auch der Philosophie, Ethik, Literatur und Musik. Rabbiner Samson Raphael Hirsch starb am 31. Dezember.1888 in Frankfurt und wurde auf dem jüdischen Friedhof in der Rat-Beil-Straße begraben (1. Januar 1889).

Männerchor der Israelitischen Religionsgesellschaft unter der Leitung von Max Neumann
Nachweis: K`hal Adath Jeshurun, Washington Heights, Manhattan, NY
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Ursula Trautwein: „Den Bahnhofsvorplatz nach Oskar Schindler benennen“

Ein kleiner Artikel von Bettina Behler in „Panorama, Evangelisches Frankfurt und Offenbach“ macht aufmerksam auf einen Vorschlag von Ursula Trautwein, die auf Einladung des scheidenden Ortsbeiratsvorsitzenden Oliver Strank den Mitgliedern des Ortsbeirats 1 nahelegte, den Vorplatz am Hauptbahnhof Frankfurt „Oskar-Schindler-Platz“ zu nennen. Dessen Haltung und Handeln als Retter von mehr als tausend Jüdinnen und Juden wurde Millionen Menschen in aller Welt durch den Film von Steven Spielberg „Schindlers Liste“ vor Augen geführt. Nach dem Krieg lebte Schindler in Frankfurt, zuletzt in der Kaiserstraße im Bahnhofsviertel. Nur wenige Menschen in Frankfurt kannten ihn und seine Geschichte; das Ehepaar Trautwein gehörte dazu und war seit 1964 (bis zu seinem Tod 1974) nicht nur mit ihm befreundet, sondern unterstützte ihn auch angesichts schwieriger sozialer Verhältnisse. Dieter Trautwein war Propst der Evangelischen Kirche, Ursula Trautwein SPD-Stadtverordnete. Die frühen Mitglieder unserer Initiative hatten noch das Glück, beide persönlich kennenzulernen sowie mit Dieter Trautwein auch in unserer Gruppe zusammenzuarbeiten und viel von seinen Erfahrungen zu lernen.

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WI(E)DERSPRECHEN

Im Rahmen des szenischen Seminars »Bühnenbesetzungen. Die Affäre(n) um Rainer Werner Fassbinders (RWF) Stück ‚Der Müll, die Stadt und der Tod’« an der Goethe-Universität Frankfurt entstand unter dem Mentoring des Künstlers Tucké Royale ein Audiowalk, der entlang der Stationen des Kammerspiels des Schauspiel Frankfurt, der Paulskirche, dem Börneplatz, der ehemaligen Synagoge an der Friedberger Anlage und dem 1. Polizeirevier führt. Der Audiowalk thematisiert die Bühnenbesetzung 1985 durch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, den Streit um den Börneplatz und dessen Besetzung 1987 ebenso wie die Geschichte der ehemaligen Synagoge an der Friedberger Anlage und der heutigen Nutzung des Ortes durch die Initiative 9. November, er nimmt den Streit um den von Martin Walser geforderten Schlussstrich unter die Shoah auf und diskutiert bis in die Gegenwart führend den NSU 2.0.

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