Erinnerung Braucht Zukunft

Die Adresse Friedberger Anlage 5-6 steht sowohl für die Vielfalt jüdischen Lebens in Frankfurt am Main als auch für dessen Zerstörung. Hier fanden Brandstiftung und Vernichtung der Synagoge unter den Augen der Frankfurter Bevölkerung statt. Ausgerechnet hier erfolgte 1942/43 die Errichtung eines Schutzbunkers als Zufluchtsort vor dem Bombenkrieg.

Der vorliegende Band versammelt Texte aus zwei Veranstaltungen zur Erinnerungskultur sowie zahlreiche Interviews mit jüdischen und nicht-jüdischen Zeitzeugen über das Leben im Frankfurter Ostend. Die Veranstaltung 2007 ‚Es wären 100 Jahre.‘ war dem Gedenken an die ehemalige Israelitische Religionsgesellschaft und ihre im Jahr 1907 errichtete Synagoge gewidmet. Das Symposium 2008 ‚Erinnerung
braucht Zukunft‘ galt dagegen der künftigen Gestaltung und Nutzung dieses Ortes.
Themen dieses Buches sind die Frankfurter Gedenk- und Erinnerungspolitik, die Geschichte der Israelitischen Religionsgesellschaft, das Arbeitskonzept und die Nutzungs- und Gestaltungsideen für den Bunker am Ort der ehemaligen Synagoge. Ergänzt werden die Texte durch Fotos und Zeichnungen.

Herausgeber ist die Initiative 9. November e.V.
Hervorgegangen aus dem Konflikt um den Erhalt der Fundamente der Frankfurter Judengasse am Börneplatz, widmet sich die Initiative seit ihrer Gründung 1988 in ehrenamtlicher Tätigkeit der Erinnerung an die Geschichte des Ortes der ehemaligen Synagoge an der Friedberger Anlage. Hier wird die Widersprüchlichkeit deutsch-jüdischer und auch Frankfurter Geschichte paradigmatisch sichtbar. Für dieses Engagement wurde der Initiative 2004 vom ‚Bündnis für Demokratie und Toleranz‘ der Hauptpreis verliehen.

Inhalt
Kurt Grünberg/Hans-Peter Niebuhr
Vorwort

Teil I:Zur Geschichte der Israelitischen Religionsgesellschaft und ihrer Synagoge
Alfred Oppenheimer
Die Einweihung der Synagoge in der Friedberger Anlage im Jahr 1907
Felix Semmelroth
Gedenk- und Erinnerungspolitik in der Frankfurter Stadtgesellschaft
Salomon Korn
Es wären hundert Jahre gewesen…
Ansichten der Synagoge an der Friedberger Anlage
Zusammengestellt von Marc Grellert
Matthias Morgenstern
Die Geschichte der Israelitischen Religionsgesellschaft in Frankfurt am Main
Ein Lehrstück über den Kulturkampf, die Integration religiöser Minderheiten
und die Liebe zur deutschen Kultur

Teil II: Zeitzeugnisse
Ute Daub
Vorbemerkung
Max Mayer
»Dies waren gute deutsche Bürger«
Margot Wisch
»Ich hatte beständige Angst«
Yehuda Ariel
»Es ist kein Gesindel gewesen, das die Synagoge abgebrannt hat«
Cilly Peiser
»Die Synagoge ist ja später ein Bunker geworden!«
Isidor Marx
»An alle lieben Ehemaligen!«
Inge Heß
»Ich habe mich so sehr geschämt, dass ich Deutsche bin«
Walter Rost
»Unser Blumengeschäft ging gut durch die Judenkundschaft«
Rose Teichert
»Sprechen Sie nicht mit mir – wenn das jemand sieht!«
Benjamin Hirsch
Die Zerstörung der Synagoge in der Friedberger Anlage
Christine Herrmann
»Kinder, steht alle auf, die zünden die Synagoge an!«
Wiener Library
Berichte über den Novemberpogrom in Frankfurt am Main
Emil Mai
»Leben im Abseits«
Gertrud Toepfer
»Wie gut, dass wir keine Juden sind«
Oskar Thiergärtner
»Das merkte man als Kind mit sieben«
Edith Erbrich
»Wir mussten als Kinder schon erwachsen sein«
Anneliese Knoch
»Da hab ich mir auch nichts dabei gedacht«
Elvira Zittier
»Man hat die Leut alle net mehr gesehen«
Alfred Rosenthal
»Ich hab mich bei jedem Menschen, dem ich begegnet bin, gefragt:
Wo warst du, was hast du gemacht?«
Tamara Mandel
»Ich trag es ja nicht auf meiner Stirn!«

Teil III: Perspektiven für den Ort
Wolfgang Leuschner
Aus Geschichte lernen?
Kurt Grünberg
Steineder Erinnerung
Fragen zur Erinnerungskultur heute –Podiumsdiskussion
DW. Dreysse
Was aus dem Bunker werden könnte
»Fundamente, die nie offen lagen, sprechen nicht« – Podiumsdiskussion

Brandes & Apsel, 2010 Frankfurt